Categories
Gittermodelle Gleichgewicht Nichtgleichgewicht Statistische Physik

Grundlagen der statistischen Mechanik im Fall von instabilen Wechselwirkungen

R. Hilfer

Physical Review E 105, 024142 (2022)
https://doi.org/10.1103/PhysRevE.105.024142

eingereicht am
Donnerstag, 27. Mai 2021

Die traditionelle Boltzmann-Gibbs statistische Mechanik ist auf Systeme mit instabilen Wechselwirkungen nicht anwendbar, weil für solche Systeme der konventionelle thermodynamische Limes ncht existiert. Die Grundzustandsenergie instabiler Systeme besitzt keine additive untere Schranke, d.h. keine untere Schranke, die linear mit der Anzahl N der Teilchen oder Freiheitsgrade ist. In dieser Arbeit werden instabile Systeme untersucht, deren Grundzustandsenergie von unten durch eine regulär variierende Funktion der Ordnung \sigma\geq 1 beschränkt ist. Der Index \sigma\geq 1 der regulären Variation ergibt eine Klasseneinteilung instabiler Systeme. Stabile Wechselwirkungen haben Index \sigma=1. Ein einfaches Beispiel für ein instabiles System mit \sigma=2 ist ein ideales Gas mit einem konstanten Zweikörperpotential ungleich Null. Die Grundlagen der statistischen Mechanik werden neu untersucht und verallgemeinerte Ensembles für instabile Wechselwirkungen werden so eingeführt, daß der thermodynamische Limes existiert. Die erweiterten Ensembles werden aus drei grundlegenden Postulaten hergeleitet: erstens, Extensivität thermodynamischer Systeme, weitens, Teilbarkeit von Gleichgewichtszuständen und drittens, statistische Unabhängigkeit isolierter Systeme. Die traditionelle Boltzmann-Gibbs Annahme bzw. die Hypothese gleicher a-priori-Wahrscheinlichkeiten ergibt sich als Spezialfall der verallgeminerten Ensembles. Systeme mit instabilen Wechselwirkungen erweisen sich als thermodynamisch normal und extensiv. Der Formalismus wird dann auf ideale Gase mit konstanten Mehrkörperpotentialen angewandt. Die Ergebnisse zeigen, daß, anders als in der Literatur behauptet, die Stabilitä”t der Wechselwirkung keine notwendige Voraussetzung für die Existenz des thermodynamischen Grenzwerts ist. Als zweites Beipiel für den Formalismus wird das Curie-Weiss-Ising Modell mit sarker Kopplung untersucht. Dieses Modell hat Stabilitätsindex \sigma=2. Die in Physica A 320, 429 (2003) berechneten thermodynamischen Potentiale werden bis auf eine Verschiebung der Energien um eine Konstante bestätigt. Das stark gekoppelte Modell besitzt einen Phasenübergang erster Ordnung und liefert ein Beispiel für eine neue molekularfeldartige Universalitätsklasse. Die ungeordnete Hochtemperaturphase kollabiert dabei in den Grundzustand des Systems. Die metastabile Fortsetzung der freien Energie zu tiefen Temperaturen endet erst am absoluten Nullpunkt in einem Phasenübergang der Ordnung 1/2. In der kollabierten Tieftemperaturphase zwischen dem absoluten Nullpunkt und der kritischen Temperatur des Phasenübergangs erster Ordnung treten keine Fluktuationen auf.



Weitere Informationen unter