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Ein zweites Beispiel: elektrischer Schwingkreis

Neben der Benutzung fertiger Werkzeuge gibt es eine weitere physikalische Methode um Programmierarbeit zu vermeiden. Diese Methode beruht auf einer der wichtigsten Grundtatsachen der Physik: Ganz unterschiedliche physikalische Probleme können auf ein und dasselbe mathematische Problem führen. Dies hat folgende wichtige Konsequenz: Hat man einmal ein mathematisches Problem numerisch gelöst, so hat man häufig gleich eine ganze Reihe von anderen physikalischen Problemen ebenfalls gelöst.

Wir wollen dies am Beispiel eines nichtmechanischen harmonischen Oszillators, nämlich des elektrischen Schwingkreises, verdeutlichen. Elektrische Schwingkreise sind Grundbausteine aller Fernseh- und Rundfunksender und -empfänger und natürlich von Handy's und sonstigen drahtlosen Kommunikationseinrichtungen.

Abbildung: Schwingkreis
\begin{figure}\begin{center}
\hspace{2.6cm}\epsfig{file=FIGS/Schwingkreis_txt.eps,width=9.4cm}\end{center}\end{figure}
Ein elektrischer Schwingkreis besteht in seiner einfachsten Form aus einer Spule und einem Kondensator, die in einem Kreis geschaltet sind. Die Auslenkung aus der Ruhelage beim Federpendel entspricht hier der Aufladung des Kondensators durch eine angelegte Gleichspannung $ U_{\rm ext}$. Im Anfangszustand (maximale elektrostatische Energie analog zur potentiellen Energie) ist die Kondensatorspannung maximal; in der Spule fliesst kein Strom. Beim Entladen des Kondensators baut der fliessende Strom in der Spule ein magnetisches Feld auf (analog zur kinetischen Energie). Ist der Kondensator entladen, analog zum Nulldurchgang des Pendels, so nimmt das Magnetfeld wieder ab. Dadurch entsteht ein Strom, der den Kondensator mit umgekehrter Spannung wieder auflädt.

Da der Stromkreis geschlossen ist, müssen sich die Spannungen an der Spule $ U_L$ und Kondensator $ U_C$ zu 0 addieren, d.h.

$\displaystyle 0 = U_L + U_K.
$

Nun ist der Spannungsabfall an der Spule (mit Lenzscher Regel)

$\displaystyle U_L = -L\dot{I}
$

wobei $ I$ der elektrische Strom und $ L$ die Selbstinduktivität der Spule ist. Ausserdem lautet die Spannung am Kondensator

$\displaystyle U_C = - \frac{Q}{K}
$

wobei $ Q$ die Ladung am Kondensator und $ C$ die Kapazität des Kondensators ist. Sie ist der Spannung an der Spule entgegengerichtet. Somit erhält man die Bewegungsgleichung

$\displaystyle L\ddot{Q} = - \frac{Q}{K}
$

für die Ladung des Kondensators. Man erkennt, daß es sich dabei wieder um die Gleichung eines harmonischen Oszillators handelt. In Tabelle 1 sind die einander entsprechenden Grössen dieser elektromechanischen Analogie zusammengefasst. Die Lösung des mechanischen Problems bedeutet also gleichzeitig die Lösung des elektrischen Problems.

Tabelle 1: Elektromechanische Analogie




Größe mech. elektr.
  Federpendel Schwingkreis
$ u$ Auslenkung $ (\sim x)$ Ladung $ (\sim Q)$
$ \dot u = v$ Geschwindigkeit Strom
$ C$ $ \frac{\displaystyle k \tau^2}{\displaystyle m}$ $ \frac{\displaystyle \tau^2}{\displaystyle KL}$


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© R.Hilfer et al., ICA-1, Univ. Stuttgart
28.6.2002