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Herleitung der Wellengleichung

Offenbar ergibt das Modell des gedämpften harmonischen Oszillators keinen überzeugenden Gitarrenklang. Dies zeigt an, daß  die physikalische Modellierung misslungen ist.

Eine Verbesserung des Modells könnte darin bestehen, nicht nur einen Punkt auf der Saite durch einen harmonischen Oszillator zu modellieren, sondern mehrere, und dann diese Oszillatoren miteinander zu koppeln. Das führt zu dem Modell einer Kette von gekoppelten harmonischen Oszillatoren, so wie in der Abbildung dargestellt.

Abbildung: Lineare Kette gekoppelter Oszillatoren
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\hspace{2.6cm}\epsfig{file=FIGS/federmasse.eps,width=9.4cm}\end{center}\end{figure}

Dieses Modell kommt der Wirklichkeit schon wesentlich näher, wenn man hinreichend viele Oszillatoren koppelt. Im Limes $ N\to\infty, a\to 0$ von unendlich vielen infinitesimal benachbarten Oszillatoren führt es auf ein Modell für die Saite mit einer kontinuierlichen Masseverteilung entlang der Saite. Betrachten wir also eine gespannte Saite mit konstanter Massendichte $ \rho$ und Querschnittsfläche $ A$. Die Saite sei durch eine Kraft $ K$ an beiden Enden eingespannt, und sie soll nur transversal in einer festen Richtung ausgelenkt werden können.

Abbildung: Eingespannte Saite
\begin{figure}\begin{center}
\hspace{2.6cm}\epsfig{file=FIGS/saite001.eps,width=9.4cm}\end{center}\end{figure}

Die Auslenkung der Saite $ u(x,t)$ ist eine Funktion der Zeit $ t$ und der Ortskoordinate $ x$ entlang der Saite. Betrachten wir die Kräfteverhältnisse entlang d. Saite:

Abbildung: Kräfteverhaltnisse an der gespannten Saite
\begin{figure}\begin{center}
\hspace{2.6cm}\epsfig{file=FIGS/saite.eps,width=9.4cm}\end{center}\end{figure}

Wir fragen nach der Rückstellkraft entlang der u-Richtung (Ordinate), für die offenbar gilt:

$\displaystyle K_u = K \sin (\alpha + d \alpha ) - K \sin \alpha$ (3.5)

nun ist im allgemeinen die Auslenkung $ u \ll L =$ Länge der Saite. Daraus folgt, dass $ \alpha \approx 0 $, d. h. $ \alpha$ ist klein, und mit $ \sin( \alpha) \approx \alpha$:

$\displaystyle K_u = K(\alpha + d \alpha)-K_a =K d \alpha$ (3.6)

Andererseits gilt für kleine $ \alpha$ auch $ \alpha \approx \tan \alpha$ d.h.

$\displaystyle \alpha \approx \tan \alpha = \frac{\partial u}{\partial x}$ (3.7)

so dass damit

$\displaystyle d \alpha = \frac{\partial^2 u}{\partial x^2}$ (3.8)

folgt. In dem infinitesimalen Intervall der Länge $ dx$ ist die Masse

$\displaystyle m= \rho  A  dx .$ (3.9)

Mit Newtons Gesetz

$\displaystyle m \frac{\partial^2 u}{\partial t^2} = K_u$ (3.10)

wird daraus

$\displaystyle \rho A dx \frac{\partial^2 u}{\partial t^2} = K d \alpha + K \frac{\partial^2 u}{\partial u^2} dx$ (3.11)

und somit erhält man

$\displaystyle \frac{\partial^2 u}{\partial t^2} = \frac{K}{\rho A} \frac{\partial^2 u}{\partial u^2},$ (3.12)

d.h. die Wellengleichung

$\displaystyle \frac{\partial^2 u}{\partial t^2} = c^2 \frac{\partial^2 u}{\partial x^2}$ (3.13)

mit der Wellenausbreitungsgeschwindigkeit

$\displaystyle c = sqrt{\frac{K}{\rho A}} .$ (3.14)

Die Wellengleichung ist eine partielle Differentialgleichung, ihre numerische Lösung sei hier aber noch zurückgestellt.

Natürlich gehören zu einer sauberen Problemformulierung auch Anfangs- und Randbedingungen. Diese wählen wir hier wie folgt:
Als Anfangsbedingungen:

\begin{eqnarray}u(x,0)=f(x) \\
\frac{\partial u}{\partial t}(x,0)=g(x)
\end{eqnarray}


und als Randbedingungen:

\begin{eqnarray}u(0,t)=0 \\
u(L,t)=0
\end{eqnarray}



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© R.Hilfer et al., ICA-1, Univ. Stuttgart
28.6.2002