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Gesetze und Modelle in der Physik

Aufgabe der theoretischen Physik ist das Aufsuchen allgemeiner Gesetze der Natur. Eine Nutzanwendung der theoretischen Physik liegt darin, aus den allgemeinen Gesetzen spezielle Modelle abzuleiten mit deren Hilfe sich Vorgänge der Natur vorhersagen lassen. Ein Ziel ist also die Vorhersage experimenteller Beobachtungen. Die Physik auf dem Computer dient diesem Ziel indem sie die Modelle durchrechnet und dadurch hochpräzise numerische Daten für den Vergleich mit experimentellen Daten bereitstellt. Insofern hat die Physik auf dem Computer einen theoretischen und einen experimentellen Charakter: Die Herleitung und Aufstellung der Modelle ist eine theoretische Aufgabe. Das Berechnen der Modellvorhersagen ist ein ``numerisches Experiment'', ein sogenanntes Computerexperiment, weil sich dabei genau die Beobachtungen des experimentes ergebn, wenn das theoretische Modell zutreffend aufgestellt ist.

Den Unterschied zwischen Gesetzen und Modellen kann man sich bereits am Beispiel des Federpendels vor Augen führen. Die Beobachtung zeigt, daß  die Auslenkung $ x(t)$ des Federpendels eine periodisch wiederkehrende Funktion ist. Eine mathematische Modellierung der Bewegung wäre deshalb durch eine periodische Funktion möglich. Es sei $ T$ die Periode des Oszillators. Dann wäre eine Sägezahnschwingung

$\displaystyle x(t)=\begin{cases}x_0\left(2-\frac{4t}{T}\right)& \text{for } 0\l...
...ac{4t}{T}-2\right)& \text{for } \frac{T}{2}\leq t\text{ mod}T\leq T \end{cases}$ (1.1)

ein konkretes Modell für die Bewegung, wobei mod die Modulofunktion bezeichnet. Ein anderes Modell wäre die harmonische Schwingung

$\displaystyle x(t)=x_0\cos(2\pi t/T) .$ (1.2)

Und noch ein weiteres Modell wäre eine parabolische Schwingung

$\displaystyle x(t)=\begin{cases}x_0\left(1-(\frac{4t}{T})^2\right)& \text{for }...
...4\right)^2\right)& \text{for } \frac{3T}{4}\leq t\text{ mod}T\leq T \end{cases}$ (1.3)

Welches Modell richtig ist entscheidet der Vergleich mit dem Experiment.

Eine solche Modellierung ist jedoch unbefriedigend, obwohl sie in der Praxis sehr häufig vorkommt. Es gibt eine unendliche Vielfalt von periodischen Funktionen, und jede dieser Funktionen hat mehrere Parameter (etwa $ T,x_0$). In der Praxis geht man so vor, daß  man aus der unendlichen Vielfalt der Möglichkeiten einige wenige auswählt, und dann die Parameter der gewählten Funktionen (hier $ T,x_0$) solange an experimentelle Daten anpasst, bis ein Modell möglichst gut mit den Daten übereinstimmt. Dieses Vorgehen kann nur glücken, wenn sich das korrekte Modell zufällig in der Auswahl befindet. Die Wahrscheinlichkeit aus unendlich vielen Möglichkeiten das wahre Modell zufällig auszuwählen ist Null. Das Auffinden der korrekten Modellierung wäre also reiner Zufall. Dementsprechend häufig gibt es Abweichungen bei der Vorhersage neuer experimenteller Daten mit einem solchen Modell.

Die Gesetze der Physik schränken die Vielfalt der Modelle ein und geben allgemeine Richtlinien und Anleitungen zum Auffinden der korrekten mathematischen Modellierung der experimentellen Wirklichkeit. Ausserdem geben sie den reinen Fitparametern der mathematischen Modelle eine physikalische Interpretation. Für das Federpendel sind die allgemeinen Gesetze der Mechanik relevant. Newtons zweites Gesetz postuliert die Proportionalität der Kraft $ F$ mit der Änderung der Bewegungsgröße (Impuls) $ p$ nicht nur für ein Federpendel sondern für ausnahmslos alle mechanischen Vorgänge. Mathematisch formuliert lautet es

$\displaystyle \frac{\mbox{\rm d}p}{\mbox{\rm d}t}=F .$ (1.4)

Zusammen mit der Definition des Impulses als Masse $ m$ mal Geschwindigkeit

$\displaystyle p=m\frac{\mbox{\rm d}x}{\mbox{\rm d}t}$ (1.5)

und dem Hookeschen Gesetz

$\displaystyle F=-kx$ (1.6)

sind die mechanischen Gesetze für das gestellte Problem spezifiziert.1.1Hierbei ist $ k$ die Federkonstante des Federpendels.


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© R.Hilfer et al., ICA-1, Univ. Stuttgart
28.6.2002