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Die Trommelfellgleichung

Bereits 1895 stellte H.v. Helmholtz fest, dass das menschliche Ohr Frequenzen wahrnimmt, die gar nicht in den Schallwellen vorkommen. Das Trommelfell ist eine schwingende Masse, (genauer eine trichterförmige Membran), die durch die Schallwellen der Luft in Schwingung versetzt wird und sie so über Hammer, Amboss und Steigbügel auf das Innenohr überträgt. Man hofft, dass sich das Trommelfell völlig passiv verhält, das heißt möglichst so wie ein harmonischer Oszillator. Diese Beobachtung von Helmholtz legt nahe, dass die Herleitung von Gleichung ([*]) nicht allgemein genug war. Allgemeiner könnte die Newtonsche Bewegungsgleichung lauten:

$\displaystyle m\frac{d^2x}{dt^2}=F(x)$ (5.2)

wobei $ x(t)$ die Auslenkung des Trommelfells aus der Ruhelage, $ m$ die Masse des Trommelfells, und $ F(x)$ die Rückstellkraft auf das Trommelfell in Abhängigkeit von seiner Auslenkung ist. Nun nehmen wir ohne große Beschränkung der Allgemeinheit an, dass sich $ F(x)$ in einer Taylerreihe um $ x=0$ entwickeln läßt, also

$\displaystyle F(x)=F(0)+\frac{1}{1!}F'(0)x+ \frac{1}{2!}F''(0)x^2+\frac{1}{3!}F'''(0)x^3+\dots$ (5.3)

Im Gleichgewicht muss offenbar stets

$\displaystyle F(0)=0$ (5.4)

gelten, und damit es eine rückstellende Kraft ist muss stets

$\displaystyle F'(0)<0$ (5.5)

gelten. Setzt man

$\displaystyle F'(0)=-k$ (5.6)

mit $ k>0$ und $ \left.\frac{d^n F}{dx^n}\right\vert _{x=0}=0 $ für alle $ n
\geq 2 $ so folgt sofort ([*]).

$\displaystyle m\frac{d^2 x}{d t^2}=-kx(t)$ (5.7)

Nennen wir $ f(x)$ treibende Kraft, die von den Schallwellen eines Sinustons auf das Trommelfell ausgeübt wird, dann lautet die einfache Trommelfellgleichung:

$\displaystyle m\frac{d^2 x}{d t^2}=-kx(t)+f(t)-b\frac{dx}{dt}$ (5.8)

oder mit $ \omega^2_0 = \frac{k}{m}, B=\frac{-b}{m}$:

$\displaystyle \ddot{x}=-\omega^2_0 x +A \cos \omega t -B \dot{x}$ (5.9)

wenn man die treibende Kraft

$\displaystyle f(t)=\cos \omega t$ (5.10)

und $ A=\frac{f_0}{m}$ setzt. Dies ist eine lineare Gleichung. Nach einem Einschwingvorgang müsste das Trommelfell mit der Frequenz $ \omega$ der treibenden Kraft schwingen. Nun ist aber die Annahme in ([*]), die äquivalent ist zum Hookeschen Gesetz nur näherungsweise gültig. Im allgemeinen können auch höhere Ableitungen der Rückstellkraft $ F^{(n)}(0)\neq 0$ von Null verschieden sein. Eine erste Annahme wäre

$\displaystyle F''(0)=-\beta m$ (5.11)

Das führt auf die nichtlineare Trommelfellgleichung von Helmholtz

$\displaystyle \ddot{x}+\omega_0^2 x+\beta x^2+B \dot{x}=\frac{f(t)}{m}$ (5.12)

Die Nichtlinearität koppelt die über $ f(t)=A \cos \omega t$ angeregte Schwingung an die anderen Vielfachen der Anregungsfrequenz $ \omega$.

Allgemeine Lösung von ([*])

$\displaystyle x(t)=C_1x_1(t)+C_2x_2(t)$ (5.13)

Dabei ist $ x_1(t)$ die allgemeine Lösung der homogenen Gleichung

$\displaystyle m\ddot{x}=-kx-b\dot{x}$ (5.14)

die bereits in Abschnitt [*] diskutiert wurde. Es ist eine exponentiell abklingende harmonische Schwingung mit der Frequenz $ \omega_0$ $ x_2(t)$ $ x_2(t)$ ist eine spezielle Lösung der Gleichung ([*]) und zwar

$\displaystyle x_2(t)=D(\omega)\sin(\omega t +\phi(\omega))$ (5.15)

wobei
\begin{eqnarray*}D(\omega)=\frac{f_0}{\sqrt{(m\omega^2-k)^2+b\omega^2}}\\
\phi(\omega)=\arctan \left(\frac{b\omega}{u_1\omega^2-k}\right)
\end{eqnarray*}

Die Konstanten $ C_1, C_2$ werden durch die Anfangsbedingungen

\begin{eqnarray*}x(0)=x_0=C_1x_1(0)+C_2x_2(0)\\
\dot{x}=v_0=C_1\dot{x}_1(0)+C_2\dot{x}_2(0)
\end{eqnarray*}

festgelegt. Man beachte das Resonanzphänomen.


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© R.Hilfer et al., ICA-1, Univ. Stuttgart
28.6.2002